Spielregeln der Liebe III.
© Bernd Helge Fritsch
Beziehungen "scheitern" nicht
Eine Paar-Beziehung "scheitert" nicht, sondern wird beendet. Nur in unse-rem Kopf
kann eine Beziehung "scheitern"! Unser Ego bewertet ein "Jeder-geht-seinen-Weg" als
etwas Negatives. Meist schwingt mit dieser Bewertung ein "Versagen", ein "Schuld
haben" oder "Schuld zuweisen" mit. Das Ego liebt es, sich und andere zu kritisieren,
zu verurteilen, sich zu bedauern, Situationen als schrecklich oder ausweglos einzustufen.
Man kann eine Trennung auch anders sehen. Ist es nicht ein wunderbares Geschenk,
wenn jeder seinen Weg gehen darf? Können wir nicht das "Ge-trennte-Wege-Gehen" mit
Liebe segnen?
Das Grundproblem des Egos sind seine Wünsche und Erwartungen, sein Hängen an dem
"Lieb-Gewonnenem", sein Hängen an Tradition und morali-schen Vorschriften, sein nicht
"Loslassen-Können" und die Erwartung, dass mich die/der andere glücklich machen soll.
Die Schwierigkeiten des Egos resultieren aus seinem "Nicht-Wissen" wer wir wirklich
sind, aus der man-gelnde Verbindung der Seele zu ihrem wahren Selbst.
Beziehungen dienen nicht dazu uns glücklich zu machen!
Beziehungen sind von der Schöpfung nicht dazu ausersehen uns anhaltend glücklich
zu machen. Glückseligkeit ist eine Eigenschaft unseres Seelen-grundes. Sie bedarf
keiner äußeren Lebensumstände. Wenn unser Glück-lich-Sein vom Verlauf unserer Beziehungen
abhängig ist, so ist unser Unglücklich-Sein vorprogrammiert.
Alle Erfahrungen denen wir im Leben begegnen dürfen, die ganze Welt der vergänglichen
Erscheinungen - das göttliche Spiel der Maya - dient in erster Linie zum Erwachen!
In unseren Erfahrungen begegnen wir immer wieder der Dualität unserer Denkweise.
Wir bewerten die Erscheinungen der Welt als "gut" und "böse", "wünschenswert" und
"abzulehnen", "hässlich" und "schön"… Wir brauchen diese Ego-Bewertungen um über
sie hinaus zu ge-hen, um uns mit dem transzendenten Sein zu verbinden.
Erst mit dem Erwachen lösen sich alle Sorgen und Probleme auf und unsere wahre Wesenheit
offenbart sich. Solange wir Liebe und Glück-Sein im ver-gänglichen Außen suchen,
verhindern wir die Erfahrung der Liebe und Glückseligkeit in uns.
Aus diesem Grunde achtet der "Weisheitsvolle" bei all seinem Tun nicht vor-züglich
auf die erhofften "Früchte" seines Tuns (siehe die Bhagavad-Gita, siehe die Evangelien)
sondern primär auf seinen Seelenzustand. Ziele zu er-reichen ist viel weniger wichtig
als bewusst, verbunden mit dem Frieden und der Seligkeit in unserem Innersten, Hier
und Jetzt auf dem Weg zu sein.
Suchet zuerst das Reich Gottes und alles andere wird euch hinzugegeben!
(Mat. 6,33)
Das Himmelreich ist in euch.
(Luk. 17,21)
Kümmere dich darum deine Pflichten zu erfüllen. Doch dabei sollten die Früchte deiner
Arbeit nicht
dein Beweggrund sein.
(Bhaghavad Gita 2:47)
Der "Erwachte" wird nicht auf Freuden, die von äußeren Ereignissen ausge-löst werden,
verzichten oder sie als minderwertig erachten. Im Gegenteil, er wird sie mit großer
Achtsamkeit und Dankbarkeit genießen. Doch er wird sich dabei stets des Ursprungs
alles Glücklich-Seins bewusst bleiben und daher nicht von der Vergänglichkeit aller
äußeren Freuden enttäuscht wer-den.
Das Ego hingegen möchte Glücksmomente festhalten, wiederholen und im-mer neu gewinnen.
Daraus entstehen rastloses Streben, Besitz-Gier, Ver-lustängste, Eifersucht, Streitigkeiten
und Enttäuschungen.
Lassen wir los von unseren Wünschen und Erwartungen, so können wir uns heiter und
liebevoll an den vielen kleinen und größeren Geschenken des Le-bens erfreuen und
wir sind nicht unglücklich, wenn das Leben, abweichend von unseren Vorstellungen,
seine eigenen Wege geht.
Probleme, insbesondere Beziehungs-Probleme, sind stets Ego-Probleme
Das "Ego-Denken" des Menschen ist vorwiegend beschäftigt mit der Frage: "Was ist
das Beste für mich? Wie kann ich es einrichten, dass ich es schön habe? Wie kann
ich das vermeiden, was mir nicht gefällt?"
Von diesen Fragen ausgehend beurteilt der "Ego-Denker" seine Mitmen-schen, seine
Welt. Seine Gedanken kreisen vorwiegend um sein kleines Ich. "Ich will…", "Mich stört…".
Entspricht seine Umgebung dem, was sich das "Ich" von ihr erwartet, so ist dieses
Ich (leider rasch vorübergehend) glücklich und andernfalls (eher anhaltend) unglücklich.
Das Ego-Denken liebt nicht, sondern will etwas für sich bekommen und be-halten.
Die gängigen Beziehungs-Ratgeber - wie im ersten Essay-Brief zu "Spielre-geln der
Liebe" beschrieben - fördern das Ego-Streben des Menschen. So besteht oft das Bestreben
mancher Psychotherapeuten darin, den Patienten zu helfen aus ihrem unglücklichen
Ego ein glückliches Ego zu machen. Dies muss jedoch zwangsläufig scheitern, denn
es ist gerade das Ego-Denken und Verhalten, welches Beziehungs-Unfähigkeit und Unglücklich-Sein
verur-sacht.
Freiheit und Unfreiheit in Beziehungen
Die Seele des Menschen sehnt sich, meist unbewusst, nach Beendigung ih-rer Trennung
vom Sein (von sich selbst, von der Welt, von Gott). Doch sie weiß nicht, wie dieses
Ziel erreicht werden kann. Sie hofft durch die Verbin-dung mit Menschen und Dingen
ihr Bedürfnis nach "Eins-Sein" zu befriedi-gen. Das findet zum Beispiel seinen Ausdruck
in der Sehnsucht nach der romantischen Liebe. Das "kleine Ich" will "Eins-Sein" mit
einem "Traumpart-ner" und erwartet sich davon den siebenten Himmel, die Erfüllung
seiner Wünsche und anhaltende Glückseligkeit.
Aus dem Bedürfnis nach "Eins-Sein" entspringt der Wunsch Menschen (die/den Geliebte/n,
den Lebenspartner, die Kinder) und Dinge für sich zu besitzen. Das "Ich" fühlt sich
mit anderen "verbunden", wenn es von diesen anerkannt, gelobt und geliebt wird. Werden
seine Erwartungen nicht erfüllt, so reagiert es mit Enttäuschung, Traurigkeit, Eifersucht,
Schmerz und Selbstbedauern. Es fühlt sich getrennt, unverstanden und verletzt. So
kann die Ego-Liebe rasch in Ärger, Zorn, Frust oder Depression umschlagen.
Das beglückende "Eins-Sein" wird nicht erreicht durch Identifikation mit einer Person,
durch Klammern, Festhalten oder für sich besitzen wollen.
"Eins-Sein" wird nur über den Weg der Aufgabe des Egos, über das "Nicht-Ich" erreicht.
Doch für die meisten Menschen ist das "Nicht-Ich" ein Fremd-wort.
Eins-Sein bedeutet sein Ego zu vergessen. Sein Ego vergessen heißt radikal in der
Gegenwart zu leben; heißt, sofort als "Vergangenheit" zu vergessen, was war, was
mich soeben, vor kurzem oder irgendwann einmal gestört hat; heißt, die "Zukunft",
meine Wünsche, Ängste und Sorgen vergessen; heißt, dem Schicksal, der Weisheit und
Liebe des Seins (Gott) zu vertrauen; heißt, hier und jetzt einfach zu sein.
Richte deine Aufmerksamkeit auf dich selbst,
und wo du dich findest, lass ab von dir.
Meister Eckehart
Den anderen sein lassen, wie er ist
Aus dem Bedürfnis nach Eins-Sein legt das Ego in der Paar-Beziehung größ-ten Wert
auf Gemeinsamkeit im Tun, Fühlen und Denken. Solche Gemein-samkeiten fühlen sich
gut an. Doch jeder Mensch ist etwas Einmaliges, eine besondere Individualität, "Er
ist wie er ist!". Den anderen gelassen und liebe-voll annehmen zu können, wie er
ist, sich nicht mit ihm zu identifizieren, ihn nicht als "meinen Partner", als "meine
Tochter", "mein Vater", "mein…" zu verstehen, ihn seinen Weg gehen lassen, das bedeutet
loslassen vom Ego, das bedeutet Liebe. Stattdessen neigen viele dazu den anderen
belehren und ändern zu wollen. Sie kritisieren das Verhalten des anderen. Sie kränken
und ärgern sich weil der andere so ist, wie er ist. Sie diskutieren, wollen recht
haben und streiten sich.
Dabei bedauern und entschuldigen sich Menschen oft mit den Worten: "Ich mein es doch
nur gut mit ihr/mit ihm! Ich will doch nur ihr/sein Bestes!" Doch wie schon Kurt
Tucholsky treffend sagte: "Das Gegenteil von gut ist gut gemeint!" Weißt du wirklich
was für den anderen gut ist? Willst du verhin-dern, dass er seine (Um-) Wege und
die damit verbundenen Erfahrungen macht?
Streitkultur
Viele Therapeuten sind der Meinung, dass Aggressionen zwischen Partnern ausgelebt
werden sollen (siehe Jellouschek, Essay-Brief "Spielregeln der Lie-be I). Man müsse
in einer Beziehung eine "Streit-Kultur" entwickeln. Wer jedoch Einsicht hat, erkennt,
dass uns Kränkung, Verletztheit, Ärger und Zorn auf unser Ego aufmerksam machen sollten.
Sie sind (vom Schicksal) nicht dazu ausersehen, dass wir uns streiten und damit unser
Ego kultivie-ren.
Niemals ist der andere das Problem, sondern immer mein Ego! Der andere "ist wie er
ist". Er ist so wie es seiner Anlage, seiner Erziehung, seinem Kar-ma und vor allem
seiner Bewusstseins-Stufe entspricht. "Ich" bin das Prob-lem, weil ich den anderen
bewerte, weil ich emotional reagiere, weil ihn nicht akzeptiere, wie er ist, weil
ich meinen Willen durchsetzen will, weil mir meine Ego-Wünsche lieber sind als äußerer
und innerer Frieden. Das gilt für alle zwischenmenschlichen Beziehungen.
Unser Ärger, unsere Konflikte sollten uns wach rütteln, uns anregen in die Stille
zu gehen, bei uns Einkehr zu halten, unser wahres Wesen zu erken-nen. Statt unsere
kontroversen Meinungen zu verkünden und Recht haben zu wollen, können wir auch einfach
liebevoll still sein, können wir den inne-ren Frieden verwirklichen, der sich in
Verständnis und Mitgefühl offenbart.
Der höchste Mensch gebraucht sein Herz wie einen Spiegel.
Er geht den Dingen nicht nach und geht ihnen nicht entgegen;
er spiegelt sie wider, aber hält sie nicht fest.
Dschuang Dsi: 365 - 290 v. Chr.
Die Umsetzung im Leben
Zu meinem letzten Essay-Brief schrieb mir eine Leserin (eine Heilpraktikerin aus
Deutschland), dass sie meine monatlichen Essay´s gerne lese und ver-suche sie umzusetzen.
Eines beschäftige sie ganz Besonders:
"Wie funktioniert LOSLASSEN in der Praxis? Theoretisch ist mir immer alles klar.
Aber ich habe bisher noch nie einen Ratschlag bekommen, wie das wirk-lich im Leben,
in schwierigen Situationen angewendet werden kann. Ich finde zwar meist Ruhe in der
buddhistischen Meditation, aber trotzdem holt es mich immer wieder ein…"
Ich habe ihr darauf geantwortet:
"Vorerst zu deinem Trost sei gesagt: So wie dir geht, geht es vielen, die versu-chen
sich von ihren Problemen und Sorgen endgültig zu befreien.
Grundvoraussetzung für erfolgreiches Loslassen, ist die Überzeugung, dass alles Geschehen
in diesem Universum von göttlicher Weisheit und Liebe getra-gen wird. Alles ist vollkommen,
wie es ist. Das Schicksal macht keine Fehler. Alles Geschehen dient dem Erwachen.
Wer diese Weisheit noch nicht begreifen kann, sollte sie als "Arbeits-Hypothese"
ausprobieren. Wenn er das ernsthaft durchzieht, wird er die Wahrheit erkennen und
diese wird ihn frei machen.
Befreit zu sein, ist das einfachste und doch scheinbar schwierigste auf der Welt.
Du musst nur innerlich stille werden. Beende konsequent alles Denken und du hast
alles erreicht. Gelingen tut diese Stille nur, wenn sie getragen wird von der Überzeugung,
dass alles Sein vollkommen ist. Mangelt es an dieser Erkenntnis, so werden wir von
unseren Gedanken, die stets um unsere Vergangenheit und Zukunft, um unsere Sorgen
und Ängste kreisen, nicht los-lassen können.
Ist die Stille von der ich spreche erreicht, so kannst du auch Denken. Doch dieses
Denken wird aus der Stille kommen. Es wird nicht mehr um Probleme kreisen. Es wird
nicht bewerten, ablehnen und begehren. Es wird sich neutral, ohne Emotionen nur um
das Notwendige und Nützliche kümmern.
Die ganze spirituelle Weisheit aller großen Lehrer kann in zwei Worten zu-sammen
gefasst werden: "Sei still!"
Beobachte fortlaufend deine Gedanken und beende sie. Sodann wird sich ein beglückender
Frieden in dir ausbreiten.
Still sein, funktioniert nur wenn das Ego mit seinen Sorgen, Problemen, Eitel-keiten,
Wünschen und Ablehnungen schweigt. Beobachte daher konsequent dein Innenleben, deine
Gedanken und Gefühle. Und jedes Mal, wenn du dich unwohl fühlst, so erkenne: Die
Ursache ist dein Ego-Denken, dein Bewerten und Wollen.
Wenn du wirklich still bist, endet alle Zeit, endet alles Karma und du bist ver-bunden
mit der Weisheit, Liebe und Freude des ganzen Universums.
Es ist unsere wichtigste Aufgabe im Leben uns von den Gedanken mit ihren dualen Bewertungen
zu befreien. Dazu sind wir auf der Erde mit diesem Kör-per, mit unserem Mind und
müssen ständig durch irgendwelche Ereignisse hindurch gehen. Im Grunde sind all diese
Vorgänge ein Spiel der Maya (Illusi-on). Doch wir brauchen dieses göttliche Spiel
um zu erwachen.
Das heißt in unserem Leben geht es überhaupt nicht darum ob wir erfolgreich sind
oder nicht, ob wir bekommen was wir wollen oder nicht, ob wir unsere Ziele erreichen
oder nicht, sondern einzig und allein darum, ob wir während unseres Weges mit unserem
Innersten, mit der göttlichen Stille in uns, verbun-den sind oder nicht.
Achte stets darauf und du hast alles gewonnen. So einfach ist das."
Herzliche Grüße
Bernd